Exlibris des Monats Juli 2022 – Utz Benkel: Krieg und Frieden

Exlibris des Monats Juli 2022 – Utz Benkel für Josef Burch, Krieg und Frieden, 2022, Linolschnitt von zwei Platten, koloriert

So wünscht man sich die sommerliche Urlaubswelt: grüne Wiesen, rote Dächer auf den Häusern und dem Kirchturm eines idyllischen Dorfes, ein kleiner blauer See vor schneebedeckten hohen Bergen und darüber ein blauer Himmel mit weißen Wolken, von dem herunter eine gelbe Sonne strahlt. Vielleicht sieht der Eigner des Exlibris, Josef Burch, etwas Ähnliches, wenn er am Mittag aus seinem Fenster in Giswil in der Schweiz hinaus in die Natur blickt.

Leider aber sieht man das idyllische Bild auf dem Exlibris für Josef Burch nicht durch einen Fensterrahmen, sondern in einem Bilderrahmen. Utz Benkel hat es auf seinem Linolschnitt da hineingesteckt und es so zu einem irrealen Motiv romantischer oder gar nostalgischer Sehnsucht gemacht. Denn der Himmel über dem Bilderrahmenhimmel ist grau, schwarz. Nur links leuchten einige wenige Lichter in Häusern und Fabriken einer großen Stadt.

Über den Himmeln unserer Sehnsuchtsbilder tobt nämlich, wie Utz Benkel es in seiner ausdrucksstarken, gekonnt drastischen Bild- und Symbolsprache darstellt, ein grausamer Krieg. Bomben, Granaten und andere Sprengkörper werden von Kampfflugzeugen herunter auf die Stadt und ihre Menschen geworfen. Statt friedlicher Himmelskörper umkreisen Raketen in grausamem Tempo die Welt, um Zerstörung zu bringen. Die so bedrohten Menschen versuchen verzweifelt, über die Treppe der linken Seite hinunter zu fliehen. Doch uniformierte und bewaffnete Soldaten verhindern das, üben Gewalt aus, stoßen sie hinunter oder treiben sie vor sich her. In ihren Uniformen und mit ihren Helmen und Waffen wirken sie größer, stärker, mächtiger, und durch diesen Kunstgriff sieht man, dass die klein wie Kinder wirkenden Bewohner und Bewohnerinnen der Stadt ohnmächtig gegen diese Übermacht sind. Die Vernichtung nimmt ihren Lauf. 

Utz Benkel geht seit 30 Jahren unbeirrt seinen Weg in der Exlibris-Szene. Ästhetisch und inhaltlich setzt er immer auf eindeutige Signale; das gilt für seine Akt-Exlibris ebenso wie für seine politischen Blätter. Auf Benkels politischen und gesellschaftskritischen Exlibris und PF‘s ist immer eine eindeutige Botschaft erkennbar, seine Solidarität mit Leidenden und Bedrohten, mit Zu-Kurz-Gekommenen, mit Opfern, die schuldlos ihr Leben verlieren, sei es in Flüchtlingsbooten oder im Krieg.

Zwar ist der Tod ein gängiges Exlibris-Motiv, aber der Tod ist auf den traditionellen Memento-Mori-Blättern stets schicksalhaft, er erreicht als Schnitter mit der Sense irgendwann jeden Menschen, da jeder Mensch sterblich ist, wie uns die Tradition des Motivs seit vielen Jahrhunderten immer wieder verdeutlicht. Utz Benkel zeigt nicht diesen unausweichlichen friedlichen Tod, sondern den, den die Menschen anderen Menschen zufügen, sei es durch menschenfeindliche Strukturen und Herrschaftsformen, sei es durch die Bedrohung der Erde und ihrer Menschen durch Umweltzerstörung, Klimakatastrophe, Atomwaffen, Kriege, sei es durch Ausbeutung sowie ungerechte Verteilung der endlichen Ressourcen, die die Erde ihren Bewohnern schenkt.

In Moers hat Utz Benkel erstmals in diesen 30 Jahren in einem DEG-Wettbewerb gewonnen, und zwar den 1. Platz für das beste PF des Jahres, als dessen Thema er Die Wahrheit gewählt hatte. Darüber hat er sich gefreut,

und es war eigentlich an der Zeit. Denn seine Blätter haben seit langem ein Alleinstellungsmerkmal, einen hohen Wiedererkennungswert. Seine klare Symbolsprache, sein meist antithetischer Bildaufbau, seine Orientierung an den ästhetischen Zielsetzungen der Pop Art, der Comics und der Plakatkunst und seine inhaltlich eindeutigen Botschaften zeichnen ihn aus. Auf dem Exlibris für Josef Burch ist diese Botschaft eine Verurteilung des Kriegs. Außer durch den Kontrast von Farben und Schwarz, von heiler Welt und Zerstörung, von Sommerwolken und Raketen spiegelt sich Benkels inhaltliche Aussage auf der rechten unteren Bildseite wider. Da jagt eine schwarze Katze einen bunten Schmetterling, dem es aber im Unterschied zu den Menschen auf der oberen Bildhälfte gelingt, frei davonzufliegen.

Dass Utz Benkel sich zurzeit nicht nur als Künstler, sondern auch als politischer Mensch für die Menschen in der Ukraine einsetzt, ist für ihn ein folgerichtiger Schritt. Für sein Exlibris zum Thema Krieg und Frieden hat er sich eine Besonderheit ausgedacht, die er in seinem Beschrieb, ja, so heißt auf Schwyzerdütsch eine Beschreibung, an den Eigner so formuliert: „Der direkte Bezug zum Angriffskrieg Russlands sind Katze und Schmetterling. Die Katze symbolisiert Russland und der (in die Freiheit) wegschwebende Schmetterling die Ukraine. Bei einem Teil der Auflage habe ich den Schmetterling in den ukrainischen Farben koloriert.“ – Diese Variante habe ich als Bildvorlage für das Exlibris des Monats 2022 gewählt.

Ulrike Ladnar

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