Karl Franz Stock verstorben. Nachruf von HR. i. R, Dr. T. Cernajsek für die Österreichische Exlibris-Gesellschaft (ÖEG)

Nicht unerwartet verstarb im vergangenen Juni unserer Ehrenmitglied und Inhaber der Scapinelli-Medaille Karl F. Stock. Eine große Trauergemeinde fand sich am 22. Juni 2022 zur Verabschiedung in der Grazer Feuerhalle ein. Für mich war diese Verabschiedung sehr schmerzhaft, zumal ich Karl seit fast einem halben Jahrhundert kannte und mit ihm stets engen Kontakt hatte. 
Karl Stock wurde 1937 in Graz als drittes Kind in Graz geboren. Er wuchs unter ärmlichsten Verhältnissen in einer Einzimmerwohnung auf. 1943 wurde er Halbwaise, nachdem sein Vater nach einem unverschuldeten Gefängnis-aufenthalt an TBC verstarb. Die nachfolgenden Jahre fristete er sein Dasein als hungernder Schulschwänzer, ja sogar im Polizeigefängnis landete er, als er auf Nahrungssuche in den Grazer Bombenruinen aufgegriffen wurde. Von 1945 bis 1946 betätigte er sich als „Hamsterer“, was damals eine alltägliche Betätigung der notleidenden Nachkriegsbevölkerung geworden ist. Diese Tätigkeit wurde durch das Jugendamt beendet und Karl wurde mit seinem Bruder Otmar in die Landeserziehungsanstalt Jagdberg, Gemeinde Schlins, Vorarlberg, gebracht. Auch hier blieben er und sein Bruder schwierige Mitbewohner des Heims. Sie verließen das Heim und fuhren mit der Bahn bis Graz, wo sie von ihrer Mutter freudig empfangen wurden. Als Kinder hatten sie keine Probleme an den Demarkationslinien durchzukommen. Aber die Freude der Rückkehr dauert nicht lange. Karl und sein Bruder müssten wieder zurück nach Jagdberg. Dort begann für ihn unter Kaplan Josef Andreas Müller, der auch Religionslehrer und Komponist war, ein anderes Leben. Er wird Sängerknabe und darf 1947 zur Erstkommunion. Ab 1951 ist er Klosterschüler in St. Georgen am Längssee, von 1952 bis 1953 Celloschüler, von 1953 bis 1954 Geigenschüler und von 1952 bis 1954 Tenorhornbläser. Da Karl nicht gewillt war einen geistlichen Beruf zu ergreifen, verließ er Jagdberg und kehrte nach Graz zurück, wo er die Jahre 1954 bis 1958 als Hilfsarbeiter in verschiedenen Firmen tätig wurde.

Parallel dazu begann er Gedichte zu schreiben und als zeitweilig Arbeitsloser unterzog er sich einer psychotherapeutischen Selbstbehandlung. 1956 entdeckte er sich selbst als Linolschnittkünstler. Diese Kunst soll für sein ganzes nachfolgendes Leben bestimmend werden. Seit damals zeichnete und malte Karl. Er hatte nie eine besondere Ausbildung, aber immer wieder gute Lehrer, die ihn anregten und nie entmutigten. Ab 1979 begann er seine Arbeiten öffentlich dort und da auszustellen. Von 1954 bis 1959 wird er Abendgymnasiast und Nachhilfelehrer für Mitschüler. Im März 1959 maturiert er an der Abendmittelschule. 1959 wird er als Versicherung-sangestellter. Im gleichen Jahr besuchte er erstmals Straßburg und beginnt Mathematik und Physik zu studieren. Gleichzeitig wird er Bibliothekar an der Universitätsbibliothek Graz. Ab 1962 beginnt er mit bibliographischen Arbeiten, welchen er sein ganzes Leben widmete. 1964 beginnt er als Statistiker und Schriftsteller. 1960 heiratete er die Elsässerin Mayrlène Ledermann aus Krautgersheim bei Straßburg. Aus dieser Ehe entsprangen die Kinder Elisabeth (1965) und Daniel (1966). Karls Frau sollte zu einer seiner wichtigsten Mitarbeiterinnen seiner bibliografischen Unternehmungen werden. Gemeinsam mit Rudolf Heilinger und mit seiner Frau Marylène veröffentlichte er seit 1976 eine „Bibliographie österreichischer Biblio-graphien, Sammelbibliographien und Nachschlagewerke“, welche 30 Bände zuletzt erreicht hatte. Bewundernswert ist es, dass Karl jetzt mit dem Studium der Staatswissenschaften beginnt, 1968 eine Dissertation erhält und 1969 zum Doktor der Staatswissenschaften promoviert. Nur so nebenbei arbeitete er ab 1967 als Programmierer. 1969 bezieht die Familie eine neue Eigentumswohnung in der Wienerstraße. Von 1970 bis 1973 war Karl zum Rechenzentrum Graz dienstzugeteilt worden, um mit Walter Koch Programmentwicklungen für die Bibliotheksdokumentation zu erarbeiten. Von hier gingen auch an mich Impulse für die künftige Einführung der EDV in meine Fachbibliothek. 1974 wurde er zum Bibliotheksdirektor der der Universitätsbibliothek der Technischen Universität Graz ernannt. Im gleichen Jahr erscheint sein Buch über die Grundlagen und Praxis der Bibliotheks-statistik im Verlag Saur in Pullach, woraus sich weiter eine enge Zusammen-arbeit für Karl ergeben sollte. Im Jahre 1976 erwarb Karl ein Grundstück in Wolfgruben, St. Ruprecht an der Raab. Die „Huabn“ wurde sein Sommer-werkstätte und Druckerei für seine Linolschnittarbeiten. Ab 1978 beginnt er selber mit einer Tiegeldruckpresse zu arbeiten. 1997 tritt in den Ruhestand und wie er selbst sagte, in den Resturlaub seines Lebens mit geistig reger Phantasie und zunehmender körperlicher Unfähigkeit und zeitweiser aufbäumender Aktivität. In Innsbruck wurde ihm 1998 in einem Hotel sein wichtigstes Werkzeug, sein Notebook aus dem Zimmer gestohlen. Der Verlust des Materialwertes stand in keinem Verhältnis zum Verlust der im Gerät gespeicherten wertvollen Daten. Durch den Diebstahlt sind einige Texte unwiederbringlich verloren gegangen. Im darauf folgenden Jahr 1999 trat Karl F. Stock in die Österreichische Exlibris-Gesellschaft ein. Ab dem Jahr 2001 begann Karl sich mit den neuen gesetzlichen Vorschriften für die Ablieferung von Pflichtstücken und mit der unvereinbaren Ablieferung von Sozialversicherungsbeträgen an die Gewerbliche Sozialversicherungsanstalt auseinander zu setzen. Mit der Methode „Print on demand“ versuchte Karl mit seinem Einnahmen unter der Geringfügigkeitsgrenze zu bleiben. Er begann nur mehr Kleinstauflagen zu produzieren und lieferte Pflichtstücke nur an die Österreichische Nationalbibliothek ab. Trotzdem blieb er im Widerspruch zu einem Bescheid des Bundeskanzleramtes, welches sich auch für alle „Print-on-demand-Werke“ eine Ablieferungspflicht aussprach. 2011 erlitt er einen Herzinfarkt, welchen er glücklicher Weise gut überstand. Ab 2021 machen sich starke Altersbeschwerden bemerkbar, die ihn trotz geistiger Höhe kontinuierlich bis zu seinem Lebensende führten. Fast wöchentlich führte ich mit ihm Telefongespräche und tauschten uns über die ersichtlich gewordenen Probleme der Exlibrisbewegung aus.

Karl F. Stock hat eine Unzahl von Publikationen zum Bibliotheks – und Bibliographiewesen und Exlibris veröffentlicht. Davon sind einzelne Werke online im Austria-Forum abrufbar. Nach eigenen Angaben hat er über 470 Linolschnitte und wenige Holzschnitte im Lauf der Jahre 1957 – 2019 geschaffen. Diese sind online unter seiner Homepage (https://bibi.kfstock.at) abrufbar. Hier ist auch unter bestimmten Voraus-setzungen der Zugang zu den von ihm geschaffenen bibliographischen Datenbanken möglich. Für uns Freunde des Exlibris ist seine „Bibliographie der Internationalen Exlibris-Literatur“ sehr wichtig und für jegliche Arbeit auf dem Gebiet des Exlibris unentbehrlich. Soweit mir bekannt ist, hat diese Datenbank 65.700 Einträge erreicht. Sie ist für alle jene hilfreich, die sie als Quelle für ihre Arbeite benützen wollen. Karls Stocks Sohn Daniel wird dafür sorgen, dass diese Datenbank weiter geführt und ergänzt werden wird.
Zuallerletzt darf nicht unerwähnt bleiben, dass Karl F. Stock Mitarbeiter des österreichischen Wissensnetzes Austria – Forum (Leitung: Prof. Hermann Maurer, TU Graz) war. Er hat eine Anzahl seiner Bücher dem Austria − Forum zur Verfügung gestellt, aber auch sonst tatkräftig mitgewirkt. Auf seine Anregung hinauf hat die Österreichische Exlibris − Gesellschaft alle vergriffenen Jahrbücher zur Digitalisierung zur Verfügung gestellt. Diese Digitalisate und auch andere Digitalisate von Exlibrispublikationen können auf diesem Wissensnetz gefunden werden.

Anerkennungen und Ehrungen seitens der öffentlichen Hand bzw. seiner Dienstgeber sind ausgeblieben. Es haben ausschließlich private Fachvereinigungen seine Leistungen anerkannt und mit Ehrungen gewürdigt:

  • 1968: Zuerkennung der Fördermedaille durch die Vereinigung Österreichischer Bibliothekare (VÖB)
  • 17.September 2009: Ehrenmitgliedschaft der Vereinigung Österr. Bibliothekarinnen und Bibliothekare
  • 14. Juli 2004: Überreichung des Udo Ivask Zertifikats der Fédération Internationale des Amateurs d’Ex-Libris (FISAE)
  • 21. November 2011: Verleihung der Ehrenmitgliedschaft der Österreichischen Exlibris-Gesellschaft (ÖEG)
  • 2016: Überreichung der Paul-Scapinelli-[Preis]–Medaille der Österreichischen Exlibris-Gesellschaft (ÖEG) anlässlich der ersten Wienerwaldtagung der Österreichischen Exlibris-Gesellschaft in Unterkirchbach bei Mauerbach bei Wien.
  • 2020: Überreichung der Walter-von-Zur-Westen-Medaille der Deutschen Exlibris-Gesellschaft (DEG)

Karl F. Stock hatte noch im Angesicht seines Todes die Kraft, Abschiedsworte/ an alle Hinterbliebenen zu richten:

Liebe Freunde! Noch im Vollbesitz meiner geistigen Zurechnungsfähigkeit und im Erahnen des herannahenden Endes meines irdischen Daseins möchte ich mich von Euch hiermit verabschieden. Ich danke für eure Freundschaft und Zuneigung während meines wechselvollen Erdenganges. Ich gehe mit Zuversicht in das wissenschaftlich noch nicht bewiesene Reich der Schöpfung eines unendlichen Wirkungsgeistes und hoffe, dass wir uns dort alle wiederfinden. Diese Erwartung möge alle meine Lieben über diesem endgültigen Abschied aus diesem Erdendasein hinweg trösten.

Tillfried Cernajsek 

[ Weitere Angaben zu Biographien und Quellen unter: 
https://austria-forum.org/af/Biographien/Stock%2C_Karl/Nachruf ]

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